Die Geschichte der "Alten Kirche" in Spay

Alte Kirche Spay

Die Alte Kirche Spay war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts die Spayer Pfarrkirche und liegt im ehemaligen Ortsteil Niederspay direkt am Rhein.

Es ist wahrscheinlich, dass schon im frühen Mittelalter am jetzigen Platz der Alten Kirche ein christliches Gotteshaus stand, denn im 12. Jahrhundert beurkundet König Heinrich VI. die Übereignung der Kirche in Spay an das Stift St. Martin in Worms. Ebenso wahrscheinlich scheint, dass die erste Kirche an heutiger Stelle auf Ruinen eines römischen Gebäudes oder Wachtturms errichtet wurde, da dies am Rheinufer keine Seltenheit ist. Die Saalkirche mit gotischen Fenstern und Ostchor erhielt im Jahr 1670 ein basaltumrahmtes Eingangsportal.

Alte Kirche Spay

Bis zum Bau der neuen Pfarrkirche (1903) diente die Alte Kirche unter dem Namenspatron St. Lambertus unzähligen Menschen als Ort, an dem sie ihren Glauben ausüben und gemeinsam Gottesdienst feiern konnten. Doch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts zerfiel die Alte Kirche stetig, weil hier keine heiligen Messen mehr stattfanden und die Bürger sich schließlich ihrer Materialien bedienten, um andere Bauwerke zu errichten. Zuletzt standen lediglich Turm und Umfassungsmauern als offene Ruine, deren Einsturz nur noch eine Frage der Zeit war. 1977 machte der in Spay lebende damalige Direktor der Schottel-Werft, Franz Krautkremer, die Rettung der Alten Kirche zu seinem persönlichen Anliegen. Er erwarb das Objekt nach langwierigen Verhandlungen mit der Kirchengemeinde und der Diözese Trier und baute das Gebäude wieder auf. Als Kunst- und Musikliebhaber stattete er es im Laufe der Jahre mit etlichen Sakralkunstwerken und wunderbaren Tasteninstrumenten aus, sodass der Raum für vielfältige kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann. Schon seit den 1980er Jahren finden hier regelmäßig Konzerte mit herausragenden Künstlern statt, die der Alten Kirche Spay einen bemerkenswerten Ruf als Kulturzentrum weit über die Grenzen des Landes hinaus eingebracht haben.

2005 wurde die Franz-Krautkremer-Stiftung gegründet, deren Vorstand im wesentlichen vom Namensgeber selbst und Mitgliedern der Familie gestellt wird. Sie lenkt nun die Geschicke der Alten Kirche und sorgt für ihren Erhalt und den Fortbestand der kulturellen Angebote.

2012 wurde die Stiftung mit dem Kulturpreis des Landkreises Mayen-Koblenz ausgezeichnet.

Text aus Heimatjahrbuch 2013 des Landkreises MYK, Autor B. Dicke

 

 

 

Die inschriftlichen Denkmäler in der Alten Kirche zu Spay

von

Dr. Eberhard J. Nikitsch

 

Der folgende chronologisch geordnete, kleine Katalog verdankt seine Entstehung der langjährigen Beschäftigung des Verfassers mit der Sammlung und Kommentierung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften des Landkreises Mayen-Koblenz, die demnächst veröffentlicht werden. Der umfangreiche, 538 Katalognummern umfassende und reich bebilderte Inschriftenband ist Teil des interakademischen Editionsprojektes „Die deutschen Inschriften“ (vgl. dazu http://www.adwmainz.de/projekte/die-deutschen-inschriften/arbeitsgruppe.html und http://www.inschriften.net). Die im Folgenden für den Druck in der Festschrift anlässlich des 15jährigen Bestehens der Franz Krautkremer Stiftung leicht überarbeiteten Texte werden hier in dieser Form erstmals publiziert.

 

Grabstein für zwei unbekannte frühe Christen.

Der Stein wurde vermutlich während der kurz nach 1977 erfolgten grundlegenden Renovierung der Ende des 19. Jh. profanisierten kath. Pfarrkirche St. Lambert aufgefunden1) und als Spolie in den Pfeiler des rechten Chorbogens eingelassen. Es handelt sich um einen kleinen hochrechteckigen Quader aus Kalkstein, der auf der Vorderseite ein durch Linien gerahmtes Feld mit einer sechszeiligen Inschrift (A) aufweist, wobei die ersten beiden Zeilen durch zwei weitere Linien abgeteilt sind. Die linke Schmalseite zeigt eine weitere, nun elfzeilige Inschrift (B) zwischen Linien. Teile der Oberfläche sowie der linke Rand der Schmalseite sind durch Absplitterungen erheblich beschädigt, dadurch entstand ein erheblicher Schriftverlust

 Höhe 23, Breite 8 cm. – Vorkarolingische Kapitalis II.

A       HIC RE/QVIE/SCITa) / GI[./.]ACb) / [...] 

B       HIC RE/[QVI]ES/CIT IN / PACE / [H]EL./.]VI[..] / MF / CA[..] / V [..] / VIXIT / AN(NOS) [- - -]

(A)   Hier ruht (…). – (B) Hier ruht in Frieden (…). Er lebte (…) Jahre.

 

Beide ohne Wortabstände geschriebene Inschriften sind ungelenk mit schwankender Größe und stumpfen Buchstabenenden ausgeführt. Inschrift (A) zeigt in weiten Abständen gesetzte Buchstaben, die nach Wegfall der Lineatur uneinheitlich und kaum lesbar sind. Besonders auffällig – im Gegensatz zu den bei frühen mittelalterlichen Inschriften sonst üblichen spitzen A2) – ist hier das trapezförmige A (ohne überstehenden Deckbalken)3) sowie die Verwendung des unzialen Q. Bei der von einer zweiten Hand gehauenen Inschrift (B) fallen vor allem die weiten Winkel bei A, M und V auf.

Der Fund dieses, auch wegen seiner Doppelverwendung ganz ungewöhnlichen Grabsteins, wirft trotz seines fragmentarischen Charakters ein neues Licht auf die frühmittelalterliche Geschichte von (Nieder-)Spay4), das erstmals im Jahr 821 als „in Speien in occidentali litore“ urkundlich erwähnt wird5). Sollte der Grabstein tatsächlich aus einem bislang noch unerforschten Gräberfeld6) der Spayer Gemarkung und nicht als verschleppte Spolie aus den benachbarten frühchristlichen Gemeinden von Boppard oder Koblenz stammen7), hätten wir hiermit das erste reale Zeugnis für christliches Leben in der zwischen diesen beiden Städten gelegenen Region am unteren Mittelrhein vor uns. Wenn auch aufgrund der hervorgehobenen topographischen Lage der Alten Kirche am Rheinufer und einer daran entlang führenden Römerstraße eine vorrömische bzw. römische Besiedelung dieses Platzes angenommen werden kann, so fehlen bislang dazu entsprechende archäologische Nachweise. Immerhin wurden 1957 die Reste eines römischen, zwischen (Ober-)Spay und (Nieder-)Spay gelegenen Gutshofes entdeckt, der von den nachfolgenden Franken weiter besiedelt worden sein könnte. Bei dem bereits 1952 gemachten Fund von Fragmenten eines monumentalen römischen Denkmals in (Ober-)Spay8) wird allerdings davon ausgegangen, dass es sich um hierher verbrachte Spolien handelt.

Die hier erstmals vorgenommene Datierung der bislang lediglich als „sicher in eine sehr frühe Zeit“9) zurückreichend bezeichneten Grabinschriften orientiert sich an den für die frühchristlichen Grabsteine aus Andernach und Boppard erarbeiteten Kriterien10). Da beide Inschriften weder christliche Symbole noch Merkmale der entwickelten fränkischen Schrift aufweisen – etwa Schaftverlängerung oder eckige Buchstabenformen – dürften sie in den Zeitraum 2. Hälfte 6. / Anfang 7. Jahrhundert zu datieren sein.

a)    S in Form eines unten offenen B (?).

b)   G unsicher. – Der Buchstabe besteht aus einem C-förmigen Oberteil und einer senkrecht nach unten ansetzenden Cauda, die vielleicht nach links abknickt. Sollte die vorgenommene Lesung zutreffen, dann dürfte dieser merkwürdigen Form das in frühchristlichen Inschriften häufig anzutreffende G mit unverbunden um den unteren Bogenabschnitt halbkreisförmig gelegter Cauda zugrunde liegen. – Vermutlich handelt es sich hier um einen mit Gi(...) beginnenden Personennamen.

 

1)   Vgl. dazu Heyen, „Alte Kirche“ pass.

2)   Vgl. dazu die paläographischen Übersichtstafeln bei Boppert, Frühchristliche Inschriften und Kessel, Grabsteine 15–19.

3)   Die spezielle Form dieses Buchstabens und seine Entwicklung wird in der Epigraphik gerne als Datierungskriterium der romanischen Majuskel im 12. Jahrhunderts herangezogen; vgl. dazu und zum vereinzelten Vorkommen dieser Buchstabenform in frühchristlichen Inschriften Fuchs, Epigraphische Zeugnisse 64f.

4)   Vgl. dazu und zum Folgenden die entsprechenden Nachweise bei E. Rettinger, Spay pass. (http://www.regionalgeschichte.net/fileadmin/Superportal/Bibliothek/sammlungen/Ortslexikon/NiederspayHOL.pdf).

5)   Die für 874 urkundlich bezeugte Erwähnung „Speion“ im Besitz des Kölner St. Kunibert-Stiftes wurde inzwischen als 1074 vorgenommene Fälschung entlarvt.

6)   Ein Gräberfeld im Bereich Holgertsweg 20 (zwischen Ober- und Niederspay) wurde Anfang der 1960er Jahre zwar nachgewiesen, aber nicht weiter untersucht; freundlicher Hinweis von Dr. Alexander Ritter, Spay, Schreiben vom 5. Februar 2019.

7)   In Frage käme auch das 1990 hinter der Pfarrkirche des Nachbarortes Rhens entdeckte und ausgegrabene fränkische Gräberfeld, dessen Funde bislang allerdings nicht publiziert worden sind; vgl. dazu Neumayer, Grabfunde 202.

8)   Vgl. dazu Cüppers, Römer in Rheinland-Pfalz 185f. und 556 mit Abb. 93.

9)   So Heyen, „Alte Kirche“ 44.

10) Vgl. dazu Nikitsch, Epigraphische Kriterien pass.

 

Grabkreuz für einen W. Vermutlich während der kurz nach 1977 erfolgten Renovierung der Ende des 19. Jahrhunderts profanisierten Kirche aufgefunden17) und als Spolie in die Wand links neben dem Chorbogen eingelassen. Einfaches kleines Grabkreuz aus porösem Basalt, in der Kreuzvierung Wappen mit Hausmarke, darüber die Jahreszahl, darunter die zweizeilige Inschrift, auf den gedrungenen Kreuzarmen Initialen. Der linke Kreuzarm fehlt.

 H 61, Br. ca. 40 cm. – Kapitalis.

 

         1 5 8 9 // [.] // W // SEFERS / IM 63 IORc)

 

Da es sich bei den Initialen auf den Kreuzesarmen vermutlich um die Abkürzungen für Vor- und Nachnamen des im Alter von 63 Jahren Verstorbenen handelt, könnte das folgende Wort als Berufsbezeichnung „Schäfer“ aufzufassen sein.

 c)    Die Lesung der 2. Zeile ist unsicher.

  Grabkreuz für Maria Mollerin. Vermutlich während der kurz nach 1977 erfolgten Renovierung der Ende des 19. Jahrhunderts profanisierten Kirche aufgefunden1) und als Spolie in die Wand rechts neben dem Chorbogen eingelassen. Einfaches kleines Grabkreuz aus porösem Basalt, in der Kreuzvierung Wappen mit vierzeiliger Inschrift, darunter Marke. Der Kreuzfuß fehlt.

  H 51, Br. 38 cm. – Kapitalis.

 

         A(NN)Od) 1616 / MARI/A ◦ MOLLE/RIN ◦ D(ER) S(EELEN) G(OTT) G(NAD)

 Marke: Maria Mollerin18).

Die gut gehauene, gleichstrichig ausgeführte Kapitalis zeigt als Besonderheit große, dreiecksförmig verbreiterte Serifen. Als Worttrenner dienen große Dreiecke.

d)   O klein hochgestellt. 

18) Vgl. dazu Heyen, „Alte Kirche“ pass.

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Abgekürzt zitierte Literatur:

Boppert, Walburg: Die frühchristlichen Inschriften des Mittelrheingebietes. Mit einer Falttafel. Mainz 1971.

Cüppers, Heinz (Hg.): Die Römer in Rheinland-Pfalz. Stuttgart 1990.

Fuchs, Rüdiger: Epigraphische Zeugnisse des frühen Mittelalters in Trier. Einige methodische Überlegungen, in: Clemens, Lukas (u. a.) (Hgg.), Frühchristliche Grabinschriften im Westen des Römischen Reiches. Beiträge zur Internationalen Konferenz "Frühchristliche Grabinschriften im Westen des Römischen Reiches", Trier, 13.–15. Juni 2013 (Interdisziplinärer Dialog zwischen Archäologie und Geschichte 3). Trier 2015.

Heyen, Franz-Josef: Die "Alte Kirche" in Spay, in: Heimatbuch des Landkreises Mayen-Koblenz 7 (1988) 39–44.

Kessel, Carina: Die frühchristlichen Grabsteine zwischen Worms, Mainz und Bingen (mit einem Exkurs von Wolfgang Haubrichs), in: Mainzer Zeitschrift 113 (2018) 3–112.

Kessler-van den Heuvel, Marga: Meister der Heiligen Sippe der Jüngere (Europäische Hochschulschriften XXVIII, 75). Frankfurt am Main und New York 1987.

Neumayer, Heino: Merowingerzeitliche Grabfunde des Mittelrheingebietes zwischen Nahe- und Moselmündung (Archäologische Schriften des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 2). Mainz 1993.

Nikitsch, Eberhard J.: Epigraphische Kriterien zur Datierung undatierter frühchristlicher Inschriften des 5. bis 7. Jahrhunderts aus dem Neuwieder Becken und von der Untermosel, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein 2018 / NF 11 (Gedenkschrift Dr. Theo Jülich) 11–24.

Lehfeldt, Paul: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirkes Coblenz (Die Bau- und Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 1). Düsseldorf 1886.

Witte, Franz-Werner: Das Kirchspiel Niederspay. Marienberg 1957.

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Abbildungsnachweis: Abb. 1 u. 6 GDKE, Landesamt für Denkmalpflege Mainz; 2, 3, 5 Dr. Eberhard J. Nikitsch; Abb. 4 Astrid Garth (beide Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Forschungsstelle Deutsche Inschriften).